22. Juli 2025

Einst war es die Verbraucherbank mit Filialen – heute Norisbank im virtuellen Nirwana. Und ich bin raus.

Ich habe kein Konto. Mehr. Was nicht mögiich ist, wenn man nicht Unmengen von Kohle in irgendwelchen Verstecken hortet. Solange es Bargeld gibt. Und – wenn man nichts überweisen muss.

Überweisungen kann ich austrixen. Da bitte ich die Enkelin und sie tut es für mich über ihr Konto. Ich schicke ihr derweil zeitgleich das Geld über Paypal. Kleiner Umweg. Aber der ist doch auch mit einem Konto verbunden?? – fragt der gewitzte Leser. Richtig. Ich habe ein Konto. Kann aber nicht draufschauen und überhaupt – ich komme nicht rein!

Reinkommen – in irgendwelche online-Verstrickungen oder Verschlingungen – ist heutzutage alles. Sonst bist Du kein Mensch mehr. Ich bin ohne Konto. Ich komme nicht rein – ergo bin ich nicht drin. Ich kann das nicht erstaunt im Fernsehen fragen, wie einst Boris Becker, als er begeistert fragte: Bin ich jetzt drin? Nein. Du bist raus, sagt meine Bank, die einst Verbraucherbank hieß. Ich eröffnete ein Konto bei dieser fortgeschrittensten Bank im alten Westberlin – auf Empfehlung des legendären Klaus Renft – man konnte damals schon auf Bildschirmen den Kontostand bewundern oder beklagen. Natürlich IN der Bank.

Online-Banking war noch weit. Die fortschrittliche Verbraucherbank, die heute Norisbank heißt, hat jetzt BestSign. Wer das nicht kann oder hat, ist raus. Also ich. Ich kann es nicht installieren. Seit einem knappen Monat bin ich nicht mehr befugt, nach meinem Kontostand zu schauen. Ich kann nicht intervenieren, falls mir jemand das Konto abräumt. Ich weiß es ja nicht. Die Norisbank hatte einst Filialen. Aber die sind lange perdu. Daran habe ich mich gewöhnt und anfangs waren die „Mitarbeiter“ am Telefon auch sehr nett. Waren.

Telefoniert hab ich mit – gefühlt – fünf bis sechs Mitarbeiter*innen! Nein – ich gendere sonst nicht. „Gefühlt“ kenn ich von der Wetter-App und von meinen Enkeln. Bei so viel Fortschritt, BestSign lässt grüßen, tu ich es. Zumindest das Gendern. Die Mitarbeiter*innen am Telefon sind wahlweise unglaublich unfreundlich, verstehen mich nicht, angeblich, und unterbrechen die Verbindung, „rufen Sie noch einmal an“. Dauer bis zur nächsten Verbindung – gefühlt – eine halbe Stunde. Dann der Lichtblick, eine immerhin mittelmäßig vermittelnde Mitarbeiterin. Sie will wissen, was ich für Daueraufträge habe, um zu ermitteln, ob ich die Richtige bin. Gebongt, ich weiß zwei, und sie stellt mich in die Technikabteilung.

Eine weibliche Stimme mit – gefühlt – osteuropäischem Akzent. Das sind meist die Nettesten. Auch in diesem Fall. Ich frage sie vorsichtig, ob die Norisbank-Kunden, die BestSign nicht installieren können oder wollen, dann die fortschrittliche Bank verlassen müssen. Im Prinzip ja. Sie sagt es mit viel Charme, aber ich habe verstanden: Du bist zu alt, Du hast es vor längerer Zeit abgelehnt, weitere Kredite zu nehmen, Du überziehst Deinen Dispokredit nicht, wie in den alten Zeiten, als Du eine Einnahmequelle für die Bank warst. Du bist unbrauchbar. Die einstige Verbraucherbank und das Leben haben Dich im Laufe der Jahre verbraucht. Ich frage sie direkt, ob das so ist. Sie kann nicht antworten. Hätte ich auch nicht gemacht. Ist wie einst, als ich noch beim RBB gearbeitet habe. Da wussten die Kollegen auch nicht, was ich denke und ich habe mich gehütet, das irgendwo lauthals zu verkünden.

Leider verriet ich in einem der zahlreichen Mitarbeiter*innengespräche meine PIN für das Telefonbanking einer vorherigen Mitarbeiterin in Unkenntnis der Folgen. Denn damit ist sie für die Bank und auch für mich verbrannt, die PIN, so dass ich mit der freundlichen Osteuropäerin nichts lösen kann, der Brief mit neuer PIN ist unterwegs. (Sie verrät mir immerhin, dass ich bei Weitem nicht die Einzige bin, die am BestSign-Verfahren gescheitert ist).

Der x-te Brief mit neuem Versuch ist auch unterwegs. Zwischenzeitlich habe ich eine neue PIN und verschiedene Briefe und ein extra Gerät für BestSign mit dem Namen Seal One (auf eigene Kosten gekauft). So bewaffnet drang ich FAST in mein Konto vor. Doch ehe ich ausrufen konnte – ich bin drin! – erforderte das neue Gerät von Seal One einen weiteren Aktivierungsbrief. „Dieser wird Sie in zwei bis drei Tagen erreichen.“

Ich habe schon einen ansehnlichen Berg Briefe. Melancholisch sortiere ich die QR-Codes, PINs, Seal One IDs, Zugangscodes und Passwörter. Ich habe immer noch kein Konto, obwohl ich eins habe. Auf in die nächste Runde. Ich bin bereit. So schnell gebe ich nicht auf.


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