21. Jun 2020

Ich bin ein Buddha.

Ich sitze. Und wo ich sitze, sitze ich. Ich steh nicht so schnell wieder auf. Der sitzende Zustand ist der meine. Sitzen und nachdenken. Sitzen und schreiben. Sitzen und sich unterhalten. Sitzen und lesen. Sitzen und essen.

Im Sitzen kann man fast alles machen. Hab ich zu viel getrunken, schlafe ich auch im Sitzen, mit dem Kopf auf der Tastatur. (Ist schon lange nicht mehr vorgekommen, denn ich trinke ja (fast) keinen Alkohol (mehr)). Als ich in die 1. Klasse kam, hatte ich sofort zwei Lieblingsfächer, die das noch lange bleiben sollten. Sport und Zeichnen, wie Kunsterziehung damals hieß.

Sport also: Ich habe unter dem Beifall der Mitschüler 50 Liegestütze gemacht, wenn es sein musste, auch noch mit jemandem auf dem Rücken. Ich kletterte wie ein kleiner Affe kratzige Seile nach oben und ich rannte – meinen Mitschülern davon – bis ich in eine Spezial-Sportklasse delegiert wurde. Damals empfand ich große Befriedigung bei anstrengendem „Kreistraining“ an jedem Nachmittag und die Wochenenden gehörten diversen Wettkämpfen. Ich schaffte es unter die ersten Zehn (Mädchen) im Ranking, das damals noch nicht so hieß, der 12jährigen 60-Meter-Sprinterinnen und stand damit sogar im damaligen „Sport-Echo“ der DDR.

Unglücklich verliebt war ich auch. In Peter. Der das nicht einmal registrierte, in jedem Diktat eine Fünf schrieb, aber der Allerschnellste war, schneller als ich. Wir haben nie ein Wort miteinander gesprochen, obwohl wir in die gleiche Klasse gingen. Leider wuchs ich nicht mehr weiter, bei 1.60 war Schluss, so dass irgendwann langbeinige Gazellen mühelos an mir vorüberzogen.

Ich sattelte auf 800 Meter um, später auf 3000. Jeden Abend nach dem Training schlich ich müde nach Hause und ging gleich ins Bett. Gottseidank machte ich die Schule irgendwie mit links. Trotzdem fragte meine Mutter eines Tages, ob das jetzt immer so weiter gehen wird. Ich dachte schon lange: Da gibt es doch noch was Anderes? Zum Beispiel – diese interessanten Jungen. Sie waren nicht unter den Sportlern, die richtig interessanten und irgendwie bösen Buben waren woanders. Im Park oder auf Kinderspielplätzen an der Tischtennisplatte oder auf den zentralen Plätzen der Stadt. – Kurzum, ich wollte nicht mehr so hart trainieren, gab noch ein kurzes Gastspiel in einem Ruderclub, um meine Sportlaufbahn dann mit 14 Jahren zu beenden.

Seitdem meide ich Sport in allen Varianten. Ich weiß nicht, wie man Sport mögen kann. Es ist so anstrengend! Ist der Mensch nicht sein Leben lang damit beschäftigt, sich das Leben leichter zu machen? All diese Erfindungen – Heizung, Waschmaschine, Auto, auch Fahrrad – machen das Leben leichter. Warum soll ich in ein Fitnesscenter gehen und mich quälen? Diese Gedanken quälen mich gerade. Denn noch – bin ich ein Buddha.  Denken ist niemals anstrengend.


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