28. Aug 2022

Karl May und der unsterbliche Winnetou

Heute entdeckte ich auf der Website „Achse des Guten“ den Beitrag von Hubertus Knabe über Karl May und die DDR. Karl May, einer der meistgelesenen deutschen Schriftsteller, einer der meist übersetzten weltweit. Man schätzte in 2012 seine Auflage auf 200 Millionen, davon 100 Millionen in Deutschland.

Die Spatzen pfeifen es längst von den Dächern: Die ARD spielt ab sofort keine Winnetou-Filme mehr, was – so wird gemunkelt – auch daran liegt, dass sie die Lizenzen auslaufen ließ (Geldsparen für die „Denver-Clan“-Feten im oberen Segment?). Neuester Aufreger: Der ansonsten harmlose Familienverlag Ravensburger verlegte vier Titel zum Winnetou-Film „Der junge Häuptling“, zog diese jedoch nach Kritik von Seiten der shitstürmenden Cancel Culture zurück. Mit einer beinahe rührenden Ergebenheitsadresse. Jetzt geht ein Aufschrei – nicht nur durch die Medien, sondern durchs Land.

Mir fiel ein, dass ich im Juli vor zehn Jahren einen kleinen Text – in der Ich-Form – über den sächsischen Schriftsteller mit Hochstapel-Appeal schrieb. Ich veröffentliche den Text noch einmal, weil er passt. Die letzten Sätze fügte ich heute – nach neuer „Schieflage“ – hinzu.

Karl May

Meine Himmelfahrt kam spät. Irgendwie war auch sie – nur zweiter Klasse. Dennoch habe ich es geschafft: Aus Schund und Schande – hinein ins hehre Reich der – Edelfedern. Da wollte ich sehr gern hin. Nur was ist der Preis? Germanisten zerbrechen sich die Köpfe über mich. Und die Jungen von heute? Sie kennen mich nicht mehr. Die haben Harry oder begehren magische Ringe. Die stechen sich nicht mutwillig in den Finger! Weder in den Ring- noch sonst in einen. So ein Blutstropfen könnte ja wehtun. Die wissen nicht, wie es ist, als fünftes von vierzehn Kindern geboren zu werden. Die wissen nicht, wie es ist, wenn die Geschwister sterben, wenn ein Kind nicht einmal die Chance hat, erwachsen zu werden. Sie wissen nicht, wie es ist, wenn man per Geburt zu einem Platz im Souterrain verurteilt ist. Wenn man sich aus den Blättern der Melde eine Suppe kochen muss. Sich herauswinden. Mit Kraft und Erfindungsgabe. Die meine war so ausgeprägt, dass selbst Oberedelfeder Thomas Mann grummelte: „Ein gar nicht uninteressanter Scharlatan!“ Der sogar mit dem Guttenberg was gemeinsam hatte. Nämlich den Doktortitel – den falschen. Ich hatte mehr Phantasie. Er konnte es sich leisten, mit Sack und Pack und Frau und Kindern nach Amerika zu fliehen. Ich konnte das nur in Gedanken. Und ich tat es so gut, dass meine Phantasiereisen mir den ersehnten Reichtum brachten. Natürlich schrieb ich nicht einfach ins Blaue hinein. Ich studierte Landkarten und Lexika. Ein bisschen exportierte ich auch. Mich selbst. Selbstverständlich in Gedanken. Und auch dieses germanische Ritual. Das mit den Blutsbrüdern. Und eine Begrüßungsformel. Kein Deutscher verkaufte so viele Bücher wie ich. Das Kriegsbeil ist begraben. – Ach! Immer noch nicht! Die „Guten“ von heute, die das Gute der Welt gepachtet haben, befinden meine Guten als nicht gut genug. Nun denn.

Lesen Sie auch Hubertus Knabe „Winnetou oder die stille Wiederkehr der DDR“, www.achgut.com, 28.8.2022


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