14. Mai 2017

Mama und Papa und die ganz große Liebe – zum Mutter-Tag, der auch immer ein Vater-Tag ist.

Liebe Mama, lieber Papa, schön, dass Ihr so verliebt wart. Deshalb gibt es mich. Es ist Sylvester auf diesem symptomatischen Bild aus den 50ern und ich war schon da. Ihr werdet für mich immer das ewige Liebespaar sein. Immer küssend, immer händchenhaltend. Immer verliebt und seltsamerweise immer eine Einheit. Auch gegen mich. Ich hatte keine Chance gegen Euch. Immer einer Meinung. Niemals im Streit. – Kann das sein? Ich habe es so empfunden und niemals erlebt, dass Ihr Euch gestritten habt. Hier auf diesem Bild küsst Ihr Euch an Sylvester, deshalb diese komischen Hüte. Ihr habt mich so erzogen, dass ich an die ganz große Liebe glauben durfte. Dass ich es musste. So sehr, dass ich diese ganz große Liebe gesucht habe und glaubte, gefunden zu haben. Heute finde ich das komisch. Wart Ihr ein Traumpaar aus einer anderen Welt? Vielleicht musste es deshalb sein, dass Du, Papa, schon mit 46 Jahren durch einen Autounfall aus dem Leben gerissen wurdest. Und dass Du, Mama, am Ende alles vergessen hast. Auch ihn. Auch mich. Ich habe Euch beide nicht vergessen. Weil heute dieser seltsame Muttertag ist, will ich Dich, Papa, ehren. Denn Du warst mir näher, was aber daran liegen kann, dass ich Dich so früh verloren habe und nicht weiß, wie ich Dich in späteren Jahren empfunden hätte. So bist Du, lieber Papa, der ewig junge Mann. So bist Du, liebe Mama, die alte Frau, die irgendwann nichts mehr mit diesem Sylvesterbild zu tun hatte. Ich empfinde große Trauer, wenn ich Euch so sehe. Und große Freude, dass es Euch gab. Manchmal überlege ich, ob ich überhaupt etwas Brauchbares für mein Leben von Euch gelernt habe. Nein, sage ich im ersten Moment. Das war doch alles nichts. Nur romantisches Zeugs, das nicht praktikabel ist. Ich habe alle meine Lieben in den Sand gesetzt. Ich bin aus allen Beziehungen als unglückliches Wesen herausgerobbt. Ich habe das Weite gesucht. Ich habe mich gerettet. Ich bin mir selbst genug. Aber ich habe – Kinder. Das ist mir von heftiger Liebe geblieben. Das, was wirklich zählt in meinem Leben. Die Kinder sind es. Sie geben meinem Leben noch immer den Sinn. Ob es Euch auch so gegangen ist, weiß ich nicht. Ich hoffe, es geht Euch gut – da oben auf Eurer Wolke. Und ich hoffe, Ihr sitzt da so, wie auf diesem Bild, das mir von Euch bleibt.


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