09. Nov 2021

Der verrückte Präsident oder – Der Tag, als die Mauer fiel…

Die Mauer fiel vor 32 Jahren. Niemand hat das geglaubt. Vielleicht ein paar Jahre zuvor ein mir verrückt erscheinender amerikanischer Präsident. Der war ja auch ein Schauspieler, dachte ich damals, als er Mr. Gorbatschow aufforderte, „this gate“ zu öffnen. Er stand vor dem Brandenburger Tor. „Nein, nein, nein, so lange ich lebe, wird diese Mauer stehen. Die Nazis haben kein Tausendjähriges Reich errichtet, aber die Kommunisten werden zumindest ein Hundertjähriges schaffen!“ – dachte ich. Und nicht nur ich. Ich kann heute fragen, wen ich will. Alle ehemaligen DDRler hielten einen Fall der Mauer zu ihren Lebzeiten nicht für möglich. Umso überraschender war es, wie schnell die Ereignisse sich überschlugen. Vor ein paar Jahren fragte mich meine Enkelin Anna: „Wie war denn das damals, als die Mauer fiel? Wer hat damit angefangen?“ – Ich musste zugeben, es nicht genau zu wissen. War es der etwas verwirrt erscheinende Günter Schabowski im Fernsehen bei einer Pressekonferenz? Der schaute auf seinen Zettel brummelte irgendetwas herum, dass jetzt ab sofort jeder… – Irgendwie muss es so gewesen sein. Ich kann mich erinnern, dass ich an jenem Abend des 9. November 1989 zu einem Englischkurs war. Als ich nach Hause kam, saß mein Mann Peter bleich vor dem Fernseher und sagte: „Hast Du es schon gehört?“ Es klang mindestens wie ein: „Weißt Du schon, dass der 3. Weltkrieg ausgebrochen ist?“ – Ich wusste nichts. Und er sagte mir, dass die Mauer offen sei und alle aus dem Osten jetzt hier rein können. Zu uns nach Westberlin. Wir sahen uns die sich ständig wiederholenden Bilder im Fernsehen an. Plötzlich klopfte es. Mein damaliger Schwager, der (geschiedene) Mann meiner Schwester, auch ein Rockmusiker, wie Peter, stand vor der Tür. Ich sagte: „Was! So schnell bist Du hier!“ – Er und auch meine Schwester wohnten im Prenzlauer Berg. Also damals in Ost. „Wieso schnell? Ich habe jahrelang um diesen Pass gekämpft. Heute Morgen musste ich noch umfangreiche Papiere unterschreiben, zum Beispiel, dass ich nicht die Museen des Preußischen Kulturbesitzes besuchen werde. Nun habe ich den Pass! Ab sofort kann ich in den Westen einreisen, wann ich will! Und Euch besuchen!“ Ich begriff. Er hatte das begehrte Dauervisum, das nur Auserwählte in der DDR besaßen. Ein Privileg. Ich begriff auch, dass er nicht wusste, dass sein Privileg nur noch für diesen Tag galt. Nach ihm stürmte der gesamte Osten in den Westen. Auch ohne Visum. Wir versuchten, es ihm klar zu machen, zeigten auf den Fernseher und er wollte es nicht glauben. „Für ein paar Stunden privilegiert, Scheiße!“ Tja, wir gingen dann in Kreuzberg in unsere damalige Stammkneipe und als die ersten Skodas und Trabbis draußen hielten, glaubten wir endgültig, was hier passierte. Nicht im Entfernten ahnend, dass es ein Jahr später eine „Wiedervereinigung“ geben würde. Noch weniger ahnend, dass 32 Jahre später keiner mehr darüber spricht, weil alle mit Impfungen beschäftigt sind und eine Impfpflicht fordern. Willkommen in der großen DDR!


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