30. Okt 2014

Österreichischer Käse versus amerikanische Puritaner

Ich habe gesündigt. Die Österreicher sind schuld. Ich weiß nicht, wo sie diesen Käse zusammenbrauen, ich weiß nur, es muss in den Bergen sein. Da gibt’s ja angeblich „ka Sünd“. Aber dieser Käse! Dieser Bergkäse! Der ist eine Sünde. Eine Sünde wert. Ich hab ihn im ALDI gekauft. Seit Wochen bin ich im Banne der Gewichtswächter und zähle akribisch Punkte.

Heutzutage ist ja alles so einfach. Ich muss nicht in Gruppen diskutieren, nicht in Büchern herum lesen, ich studiere keine Tabellen, nein, online läuft das. Mit App. Online zähle ich meine täglichen Punkte bzw. das „Programm“ rechnet mir alles aus. Wie ein Buchhalter gebe ich Daten ein und – oh, Wunder – dann stehen sie da. Meine frisch ausgerechneten Ergebnisse. Das, was ich essen will, wird für gut oder nicht gut – be(p)funden oder bepunktet: 26 am Tag. 49 Extrapunkte für alle Wochensünden.

Es ist nicht schwer, so punktgenau durchs Leben zu essen. Wirklich nicht. Aber es ist schwer, punktgerecht zu – trinken. Denn – die Amerikaner haben es erfunden – und der amerikanische „Herr“ bestraft die kleinen Sünden sofort. In Form von Strafpunkten. Ein Glas Rotwein – 4 Punkte. Von Rum wollen wir gar nicht reden. Warum ich das schreibe? Ich habe heute Rum getrunken. Besser: Caipirinha. Leider nicht nur ein Glas. Sondern vier.

Und dann bricht es sich Bahn aus mir – dieses „Ist-doch-scheißegal“. Heute, nur heute! Morgen bin ich wieder  punktbrav! Heute wird Käse gegessen. Verschlungen. Unmengen von Bergkäse. Ein Punkte-Desaster. Wie viele? Zu viele! Ja, ja, ja. Die Punkte schenk ich mir! Und wohin mit dem Geschenk? Böse Zungen nennen es „Hüftgold“. Wären ausladende Hüften gesellschaftsfähig oder – schick ausgedrückt – „en vogue“, könnt‘ ich jeden Abend rum-kugeln. So aber. So aber nicht.

Ich sehe die Erfinder des Punkte-Programms förmlich ihre mageren Zeigefinger recken: Madame! Alkohol schwächt die Willenskraft. Alkohol macht dick. Alkohol macht dumm. Macht willenlos. Dumm. Aggressiv. SÜCHTIG! Oh, oh, ich schau mein geliebtes Staatl. Fachingen-Wasser an und – es schaut zurück: Durchsichtig und mineralgeladen. Warum nur macht es mich nicht froh? Komischerweise bekomme ich im Supermarkt meines Vertrauens, wenn ich einen Kasten vom teuren Wasser erstehe, neuerdings jedes Mal ein Kochbuch dazu. Wasser muss sich wieder lohnen!

Ich lächle den jungen Mann an der Kasse an und stecke das fünfte Kochbuch ein. Morgen schau ich vielleicht mal rein. Die restlichen verschenk ich zu Weihnachten. Den österreichischen Bergkäse verbanne ich aus Kühlschrank und Gedanken. Der Teufel trägt – Rum! Alles Käse? Oder was!


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