In einer anderen Zeit in einem untergegangenen Land – Als wir Geburtstag feierten – Peter Cäsar Gläser zum 69.

Heute nennen es die jungen Leute „feiern“, wenn sie sich treffen. Anlass egal. Aber – es könnte auch ein Geburtstag sein. Meist am Wochenende. Auch wir feierten damals. Peter und ich feierten oft. Auch in der Woche. Noch mehr, als am Wochenende. „Feiern“ nannten wir das nur, wenn Geburtstag war. Das betraf seinen, meinen und – oh Graus, die Kindergeburtstage. Außerhalb gab es Geburtstagsfeiern von Freunden oder bei Peters Eltern. Seine Mutter Ende Dezember. Der Vater Mitte Januar.

Als ich das erste Mal mit bei den zukünftigen Schwiegereltern war, das war ein Dezember, also Mutter-Geburtstag, brachte er mich als „Überraschung“ mit. Ich war für seine Eltern und die gesamte Verwandtschaft die bisher im Verborgenen gehaltene Geliebte. Die Böse. „Die, die seine Ehe auseinandergebracht hat.“ – Peter betrat also die „Gute Stube“. Er war nach einem Jahr zum ersten Mal wieder da. Wegen seiner Scheidung wollten die Eltern nichts mehr von ihm wissen: „Wir haben keinen Sohn mehr!“ – Aber wenn der verlorene Sohn nach Hause zurückkehrt, wird dann doch gejubelt. Also freuten sich die Eltern, die Großmutter, die Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen und die Gartenfreunde und sie lachten und hoben die Gläser. Dann kam ich. Man hatte mich bisher noch nicht gesehen, denn ich stand hinter Peter. Das Gelächter erstarb. Alle schauten betreten. Keiner sagte etwas. Großes Schweigen. – „Das ist also Deine Freundin!“ rief der Vater und versuchte die Situation zu retten. „Ja, gewissermaßen“ – meinte Peter und sagte nicht, dass wir schon seit einem Vierteljahr verheiratet waren. Und Peters Vater – ganz Bierfahrer, der er war – hielt mir ein Glas mit einem Getränk hin und sagte: „Setzen Sie sich doch!“ – „Die gefällt mir, an der ist wenigsten was dran!“ rief Wanda, die polnische Oma und Mutter des Hausherrn. Alle anderen sagten erst einmal nichts. Irgendwie kamen wir dann doch noch alle ins Gespräch, die Runde war erleichtert und als alle gegangen waren, erfuhren Peters Eltern zu ihrem Entsetzen, dass wir verheiratet sind. Die Mutter begann zu weinen und war gleichzeitig beleidigt, weil sie „es so“ erfahren musste. „Da müssen wir wohl jetzt DU sagen!“ – „Ja, können wir machen, ich heiße Elisabeth.“ – Das war Geburtstag Nr. 1.

Geburtstag Nr. 2 war ein Peter-Geburtstag, der 30. oder 31. Wir wohnten noch nicht in der legendären Lindenthaler Str. in Leipzig-Gohlis, sondern in der Tschaikowskystr. im Waldstraßenviertel. Am Nachmittag dieses 7. Januars waren Peter und ich in der „Kaufhalle“ und entdeckten zu unserem Erstaunen Kästen mit Tonic Wasser. Das war sehr selten. Und noch dazu fanden wir echten Gin. Superselten. Verwundert und begeistert sagte ich: „Was meinst Du? Wir kaufen jetzt ein paar von diesen Gin-Flaschen, dazu einige Kästen Tonic und machen heute mal eine Gin-Tonic-Party. Das gabs noch nie bei uns und einfach ist es auch. Wir müssen uns über weitere Getränke keine Gedanken machen.“ Gesagt, getan. Wir kauften das Set in vielfacher Ausführung. Dazu noch ein paar alkoholfreie Getränke, die ohnehin nur Robert trank, der damals noch Kind war, und sonst… mir fällt niemand ein. Dazu noch ein paar Alibi-Bierflaschen. Was wir zu Essen hatten, weiß ich nicht mehr. Alkohol-Killer dürften das nicht gewesen sein. Denn es passierte natürlich etwas. Die reichlichen Gäste, mir fallen nur noch unsere Freunde von nebenan, Max und Mable, ein, ansonsten noch Musiker mit ihren Frauen, ein paar Cäsar-Fans, vielleicht Heike, meine Freundin. Aber genau weiß ich es nicht mehr. Auf jeden Fall tranken alle begeistert Gin-Tonic. Einen nach dem anderen. Wir saßen in dem einzigen großen Zimmer, das wir damals hatten, am Tisch und auf den Sofas, die darum gruppiert waren. Partygespräche. Mir fällt heute partout nicht mehr ein, worüber. Und ich würde mich an diesen Geburtstag nicht mehr erinnern. Aber an das: Es war nicht das Große Fressen. Es war wohl das Große Saufen. Denn – wie auf Kommando – erbrachen sich alle fast gleichzeitig oder steckten sich gegenseitig an. Es war wie eine riesige Kotz-Welle, die durch die Wohnung rollte. Im Bad, auf der Toilette, in der Küche, in die Blumenvasen, Eimer, Töpfe, Blumentöpfe und alle Gefäße, die man ergattern konnte. Ich kann mich noch erinnern, dass der Alkohol-gestählte Peter, der natürlich nicht von der Welle erfasst wurde, jemandem eine Blumenschale unters Gesicht hielt, weil dieser mitten im Gespräch… schwupps… naja, es war grauenhaft. Nachdem irgendwann alle nach Hause gegangen waren, haben Peter und ich und vielleicht noch Heike, die ja immer unser guter Hausgeist war, uns noch die halbe Nacht fast zu Tode gewischt. Gin haben wir zu Geburtstagen nie mehr gekauft