Mein Magdeburg – Zustandsbericht nach einem knappen Dreivierteljahr

Ich mag sogar diese unheimlich dicken blutjungen Mädchen, die es hier sehr oft gibt. Sie sind so selbstbewusst. Tragen schwarze Strumpfhosen oder Leggings zu seltsamen T-Shirts und haben immer ihren Freund dabei. Ich mag es, dass niemals Stau ist. Ich mag es, dass alles nah ist, egal, wohin ich auch will. Ich mag auch diese schweren Jungs, die in halbhandwerkerähnlichen Outfits über die Straße schlurfen. Ich mag es, dass viele Männer in den Einkaufszentren mit gelben Westen herumlaufen. Und man weiß nicht genau, warum. Ich mag, dass die gelbe Weste verstohlen auch im Fond der Autos ausgestellt wird. Ich mag das Radio hier – es ist MDR Sachsen-Anhalt oder auch Radio SAW. Sogar Radio Brocken. Der Brocken ist der höchste Berg des nahen Gebirges, das man in kurzer Zeit von Magdeburg aus erreichen kann. Es ist der Harz. Ein Mittelgebirge, das mit seinem berühmten Hexentanzplatz den Ort von Goethes Walpurgisnacht in „Faust“ zur Verfügung stellt. Und das auch eine „Rosstrappe“ hat. Da sprang einst eine Prinzessin, verfolgt von Ritter Bodo von Böhmen, mit ihrem Pferd von einem Berg zum anderen, um sich vor männlicher Begehrlichkeit zu retten. Die Rosstrappe, da, wo sie Anlauf nahm zum rettenden Sprung, das ist ein Abdruck im Felsen, den man heute noch bewundern kann. Ich mag meine schöne Wohnung, die bezahlbar ist, im Gegensatz zum Wahnsinn, der gerade in Berlin abläuft. Ich mag es, hier einkaufen zu gehen, denn es ist tatsächlich ein „Erlebnis“, so entspannt und freundlich, wie das passiert. Ich mag die DHL-Frau: „Frau Koeppe, kommst Du mal runter und nimmst Du auch was für die anderen an!“ – Natürlich mach ich das. Genauso geht’s mit der Hermes-Frau. Ich mag die Leute im Haus, die ich durch das Annehmen der Pakete kennenlerne. Sie sind alle jung und wahrscheinlich nicht aus dieser Stadt. Unser Haus ist – auch – ein WG-Haus. Und ich vermute, dass ich die Älteste bin. Und ich mag auch den Hausverwalter, der just in diesem Haus seine Verwaltung hat, und mich grüßt, als seien wir verwandt. Das ist das Leben in Magdeburg, in einer kleinen Großstadt.

Magdeburg – keep cool

Magdeburg ist so wunderbar einfach – Osten. Ich will ein Paket von Hermes abholen. Das findet in meiner Nähe im Opel-Autohaus statt, welches noch eine kleine Hermes-Filiale betreibt. Leider ist die Dame schon nach Hause gegangen, die den „Stand“ betreut. Sie hatte einen wichtigen „Termin“ bedauern irgendwelche Mitarbeiter und ich sage: Es gibt doch Öffnungszeiten. Antwort: Ja, da haben Sie Recht. – Ok, ich komme morgen wieder. – Dann ein erster Einkauf im Lidl, der sich in meinem „Versorgungsgebiet“ befindet. Wie ist es herrlich leer hier. Ganz im Gegensatz zum Berlin-Charlottenburger Lidl, in den ich wegen ständigem Gedrängels und steter daraus resultierender Unordnung nicht mehr gehen mochte – hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein. Ok, das ist der Slogan für dm, aber der Goethe-Osterspaziergang-Ausruf ist auch hier anwendbar. Entspannt schlendere ich im leeren Lidl am Abend. An der Kasse eine gelangweilte Kassiererin mit Extrem-Rosa-Lila-Bläulich-Pink-Haar in Superlänge. Lässig schiebt sie meine Waren über den Scanner. Nur keine Hektik. Schön. Dazu bewundere ich ihren üppigen Busen, vermutlich ohne BH, den sie lasziv über den Tresen gelagert hat. Leider wage ich nicht, ein Foto zu schießen. Hier ist Phantasie das Mittel der Wahl, um sich das vorzustellen 🙂