Woran man im Alter hängt

 Ja, in dem Alter bin ich schon. Ich denke darüber nach, wie das so weitergeht mit dem Alter, mit dem Altwerden. Und auch darüber, was ich loslassen werde und muss. Und woran ich hänge. Der Mann im Haus gegenüber – ich nenne ihn Hausmeister Krause – steht jeden Tag im Blaumann vor der Tür und wartet auf die BSR – die Berliner Stadtreinigung.

Hausmeister Krause bewacht seine Tonnen und überlässt sie den jungen kräftigen Kerlen von der Stadtreinigung nur für kurze Zeit. Unruhig und beinahe streitlustig hält er an den Tonnen fest und läuft mit zum Auto, in das die Entleerung stattfindet. Dann kommt sein Part. Er schiebt die Tonnen zurück in den Hof. Hausmeister Krause ist ungefähr 90. Groß und dünn. Und er raucht. Steht vor dem Haus, raucht und wartet auf seine Freunde von der Stadtreinigung. Er hat einen Blaumann an. Er arbeitet. Mit den Tonnen. Er hat eine Aufgabe.

Einmal nachts stand ein Rettungswagen vor der Tür. Die Sanitäter wollten Hausmeister Krause retten. Offensichtlich hatte jemand angerufen, dass es ihm schlecht ginge. Ich stand aufgeregt auf dem Balkon und rauchte. Wird das seine letzte Fahrt? Aber nein! Mit Todesverachtung machte er sich von den Rettungssanitätern los und stieg selbständig in das Rettungsfahrzeug. Und kam am nächsten Tag wieder nach Hause. Zu seinen Tonnen. Zu seiner Arbeit, die ihn am Leben hält. Das ist ein Jahr her. Und Hausmeister Krause hält weiter Tag für Tag an seinen Tonnen fest. Seine Tonne Leben! Ich liebe es, ihm zuzuschauen und lerne von ihm: Solange Du eine Aufgabe hast, ist es noch nicht vorbei.

Foto: Die Mülltonnen im Haus gegenüber – unserem Haus in Berlin-Charlottenburg.

Möhren, Gänsebraten oder Sex.

Veganer, Vegetarier, Frutarier, Flexitarier, Vollwertköstler, Blutgruppendiätler, Ayurveda-Genießer. Essensregler und -beschränker. Zutaten- und Kalorienampelstudierer. Bio- und Waagenfetischisten. Wir sind mittendrin – in der Überflussgesellschaft, in der Nahrungsmittel wie Porno sind! Und Porno wie Nahrungsmittel.

Ich las letzte Woche einen der vielen Artikel, in dem es – auch – um Essen als neue Religion ging. Ich las, dass es in der menschlichen Gesellschaft schon immer so gewesen sei, dass entweder das Essen oder eben der Sex tabuisiert werden.

Wenn das stimmt, dass nunmehr wieder das Essen im Tabubereich angekommen ist, müsste Sex sich in die Gefilde der völligen Enthemmung bewegen. Eine Tendenz, die nicht zu leugnen ist. Die menschliche Sexualität wird jedes Geheimnisses beraubt. Es gibt Sexualkunde-Lehrpläne für Schüler im vorpubertären Alter, für deren Inhalte ich unter den Tisch kriechen möchte. Vor Scham und auch Empörung.

Und ich sehe auf der Facebook-Startseite der „LAG Queer – Die Linke. Sachsen“, ein Foto, vermutlich von einer Demo, das mich tatsächlich leicht „aus den Latschen kippt“. „Porno statt Adorno“ – naja, ist noch ganz lustig, aber es geht weiter: „Sperma im Haar statt Kuchenbasar“, „Rudelfick statt Physik“, „Muschi, Pimmel, Regenbogen – So wird ein Kind erzogen“ – das also und noch mehr sind die Forderungen dieser Gruppierung, die sich auch die Abschaffung des Zweigeschlechtermodells in der Gesellschaft auf die Fahnen geschrieben hat. Auf Regenbogenfahnen, die dieses unwirkliche Szenario umwehen. –

Nun, ich weiß nicht, was derart „Enthemmte“ so essen. Gemäß ihrem Motto: „Bei uns kannst Du sein, wie Du bist!“ (vorn im Bild auf einem Groß-Plakat) dann doch ALLES, oder? Tja, nun denke ich angestrengt darüber nach, wie die sexuellen Vorlieben, Hemmnisse oder Enthemmungen der Essensreligiösen sein mögen? Wenn ich tagtäglich Gebote und Verbote einhalten muss und ständig mit dem Essen und dem darüber Nachdenken beschäftigt bin… ich weiß es nicht. Ich muss wohl private Feldstudien anstellen. Und dann soll das alles ja auch noch Politik sein. Cui bono? Wem nützt es? Ich habe keine Antwort. Erst einmal freu ich mich auf den Gänsebraten.

Ich gendere Dir – was?

Veganer, Vegetarier, Frutarier, Flexitarier, Vollwertköstler, Blutgruppendiätler, Ayurveda-Genießer. Essensregler und -beschränker. Zutaten- und Kalorienampelstudierer. Bio- und Waagenfetischisten. Wir sind mittendrin – in der Überflussgesellschaft, in der Nahrungsmittel wie Porno sind! Und Porno wie Nahrungsmittel.

Ich las letzte Woche einen der vielen Artikel, in dem es – auch – um Essen als neue Religion ging. Ich las, dass es in der menschlichen Gesellschaft schon immer so gewesen sei, dass entweder das Essen oder eben der Sex tabuisiert werden. Wenn das stimmt, dass nunmehr wieder das Essen im Tabubereich angekommen ist, müsste Sex sich in die Gefilde der völligen Enthemmung bewegen. Eine Tendenz, die nicht zu leugnen ist. Die menschliche Sexualität wird jedes Geheimnisses beraubt. Es gibt Sexualkunde-Lehrpläne für Schüler im vorpubertären Alter, für deren Inhalte ich unter den Tisch kriechen möchte. Vor Scham und auch Empörung.

Und ich sehe auf der Facebook-Startseite der „LAG Queer – Die Linke. Sachsen“, ein Foto, vermutlich von einer Demo, das mich tatsächlich leicht „aus den Latschen kippt“. „Porno statt Adorno“ – naja, ist noch ganz lustig, aber es geht weiter: „Sperma im Haar statt Kuchenbasar“, „Rudelfick statt Physik“, „Muschi, Pimmel, Regenbogen – So wird ein Kind erzogen“ – das also und noch mehr sind die Forderungen dieser Gruppierung, die sich auch die Abschaffung des Zweigeschlechtermodells in der Gesellschaft auf die Fahnen geschrieben hat. Auf Regenbogenfahnen, die dieses unwirkliche Szenario umwehen.

Nun, ich weiß nicht, was derart „Enthemmte“ so essen. Gemäß ihrem Motto: „Bei uns kannst Du sein, wie Du bist!“ (vorn im Bild auf einem Groß-Plakat) dann doch ALLES, oder? Tja, nun denke ich angestrengt darüber nach, wie die sexuellen Vorlieben, Hemmnisse oder Enthemmungen der Essensreligiösen sein mögen? Wenn ich tagtäglich Gebote und Verbote einhalten muss und ständig mit dem Essen und dem darüber Nachdenken beschäftigt bin… ich weiß es nicht. Ich muss wohl private Feldstudien anstellen. Und dann soll das alles ja auch noch Politik sein. Cui bono? Wem nützt es? Ich habe keine Antwort. Erst einmal freu ich mich auf den Gänsebraten.

Der diskrete Charme der Jahresendflügelpuppe.

Habt Ihr in der DDR überhaupt Advent gefeiert? Fragt mich meine Freundin, für die die DDR ein fernes unbekanntes Land ist. In einem Land, in dem Religion „Opium fürs Volk“ sein sollte, keine unberechtigte Frage. Dieses Opium wurde nicht gern verteilt. Meine Frohe Botschaft lautet dennoch: Es gab Weihnachten. Es gab den Advent. Natürlich sprach man seltener von Jesu Christi Geburt. Auch das Wort Christkind tauchte in offiziellen Verlautbarungen nicht auf. Es sei denn, man ging in die Kirche.

Ja, es gab Menschen, die gingen an Weihnachten in die Kirche. Sich das Krippenspiel anschauen. Auch Engel gab es in der DDR. Und damit meine ich die figürlichen Darstellungen, denen man unterstellt, „Jahresendflügelpuppe“ oder „Jahresendflügelfigur“ geheißen zu haben. Noch steht der Beweis dafür aus. Das Gerücht in Bezug auf diese politisch-motivierte sprachliche Entgleisung hält sich aber hartnäckig. – Ich habe Engel gekauft. Aber sie hießen – Engel. Wir wussten, was ein Engel ist. Klar gab es Sprachverordnungen. Wie es sie heute auch gibt. Es gab Tabu-Wörter, wie es sie heute auch gibt. Zunehmend stelle ich fest, wie sehr die Sprachzwänge in den Gefilden der heutigen „Freiheit“ denen der Sozialismus-Aufbauer ähneln.

Der Wahn, missliebige soziale Umstände mit Worten zu kurieren, treibt lächerliche und auch ärgerliche Blüten und Auswüchse. Folgt mir „Zurück in die Zukunft“: Ja, wir hatten eine eigene DDR-Sprache, eigene Wortschöpfungen vom Akten-Dully bis zum Weich-Container, wobei dieser – es sollte ein Sack sein – wahrscheinlich auch ins Reich der Legenden gehört. Wir hatten das labberige Malimo – ein Stoffgewirk, erfunden von Heinrich Mauersberger aus Limbach-Oberfrohna im Erzgebirge – wir hatten Broiler, Dispatcher und den Klassenfeind. Wir hatten Wandzeitungen, das „Abkindern“ eines Ehekredites und die Bück-Ware unter den Ladentischen.

Die Liste der DDR-Wort-Eigenarten ist lang. – Zurück in den Advent. Zurück zur Jahresendflügelpuppe. Erklärt wird deren angeblich verordnete Existenz mit der Religionsfeindlichkeit des DDR-Systems. Die war zweifelsohne vorhanden. Trotzdem gab es Kirchen und Pastoren. Gab es Gemeinden. Gab es ein Theologiestudium an den Universitäten. Auch wurde Weihnachten nicht abgeschafft, wie beispielsweise in der Sowjetunion. Die strich kurzerhand den Heiligen Abend – der ohnehin wegen der Kalenderverschiebungen erst im Januar war – und ließ stattdessen das Jolka(Tannenbaum)-Fest an Sylvester feiern. Mit Väterchen Frost und Snegurotschka – dem Schneemädchen, ein Engelersatz.  Väterchen Frost – ein Ersatzweihnachtsmann.

Wir aber behielten den richtigen Weihnachtsmann –  alter ego des Christkindes. Und behielten den Heiligen Abend, den man getrost so nennen durfte,  auch den 1. und 2. Weihnachtsfeiertag mit Gänsebraten, Geschenken und Verwandtschaft. Davor  Advent, Adventskränze und vier Kerzen darauf. Klar, es wurde kaum darüber gesprochen, was das Weihnachtsfest bedeutet, aber verboten war es nicht. Klar, Engel waren nicht unbedingt die Favoriten am Weihnachtsabend. Aber verboten waren sie nicht. Und der Begriff Jahresendflügelpuppe wäre zwar irgendwie passend gewesen – so als DDR-Ersatzsprache – wie heutzutage ein Winter- oder Lichterfest statt eines Weihnachtsmarktes. Aber ich verweise diese Wortschöpfung ins Reich der Legende. Ich habe das in meiner DDR-Lebenszeit niemals gehört.

Meine Mutter übrigens – die große Kommunistin – legte am 24. Dezemberabend zu Beginn der „Bescherung“ stets die Schallplatte mit dem Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach auf und dirigierte eigenhändig „Jauchzet, frohlocket…“  ich seh‘ sie heute noch vor mir. Und weiß – dass das Heilige nicht verbietbar oder ausrottbar ist, dass es sich immer wieder durchsetzt. Menschen brauchen das Heilige neben dem Profanen. Zu Weihnachten ganz besonders.