„Der Blumenwert wurde eingehalten“

Die österreichische Freundin hat ein Jubiläum. Die deutsche Freundin will es mit Blumen sagen. Will sagen, dass sie glücklich ist, sie zu kennen, mit ihr befreundet zu sein. Mit ihr all die guten und die schlechten Tage zu teilen und zu besprechen, mit ihr Projekte auszudenken und zu realisieren.

In anderen Jahren wäre sie persönlich hingeflogen. Es sollte nicht sein. Nicht im Corona-Jahr 2021.

Nun – es gibt Helfer. Gibt Dienstleister. Fleurop. Nicht nur in Deutschland. Auch in Österreich.
„Fleurop-Interflora liefert atemberaubend schöne Blumensträuße in Österreich & in weitere 150 Länder weltweit – am selben Tag!“

Gut, der Montag, 24. Mai, wurde es nicht. Feiertag. Dafür Dienstag. Ich wählte die „Romantic Roses“. Die gefielen mir, weil es Rosen mit zarten Gräsern, die nach unten verlaufen, sein sollten. Wählte die „Mittlere Version – 85.- Euro“, dazu eine Rosen-Karte und eine Vermittlungsgebühr. Knapp 100 Euro. Ich freute mich, weil meine Freundin sich ganz sicher auch freuen würde. Dachte ich.

Ja, es gab den Hinweis, dass es kleine Abweichungen geben könne – vom Abbild auf der Website.

Aber nicht diese! Es kam ein Rosenstrauß, der mitnichten in zarte Gräser gehüllt war. Sondern ganz unromantisch in dicke grüne aufrechtstehende Blätter verpackt, wie ein in Kohl gewickelter Strauß. Wie der Standardstrauß einer Billig-Blumen-Kette. Hätte das 30 Euro gekostet, ich hätte es verschmerzt. Aber nicht für knapp 100 Euro. Ich beschwerte mich. Schickte ein Foto und bekam dann diese Antwort:

„Sehr geehrte Frau Koeppe-Gläser,

vielen Dank für das Foto!

Bitte beachten Sie, dass die Produktabbildungen nur Musterbilder sind – da jeder Strauß vom Floristen vor Ort individuell und frisch gebunden wird, kann es zu leichten Abweichungen bei der Ausführung und dem saisonalen Beiwerk kommen.

Es ist zu sehen, dass die Farben der Rosen eingehalten wurden und es nur beim Beiwerk zu Abweichungen gekommen ist.

Der Blumenwert wurde eingehalten.

Aufgrund der leichten Abweichungen kann hier leider kein Austausch stattfinden.
Wir bitten um Ihr Verständnis!“

Nein, liebes Fleurop-Team, Ihr mit den „atemberaubend schönen Blumensträußen“, dafür habe ich kein Verständnis.

Meine Antwort:
„Ich halte das nicht für „leichte Abweichungen“, sondern der Charakter des Straußes, seine Intention, wurde vollständig verändert. Ich bleibe dabei, dass das Betrug am Kunden ist, und werde das auch entsprechend publizieren. Nicht für diesen Preis! Schämen Sie sich für diese schlechte Dienstleistung für sogenanntes gutes Geld.“

Darauf – keine Antwort!

Fleurop… – niemals mehr.

Die Freuden des Alters – und die Leiden auch…

Ich habe noch Pockennarben. Weiß eigentlich jeder, der das liest, was das ist? Pocken gibt’s ja schon lange nicht mehr und als ich mich der schmerzhaften Prozedur einer Pockenimpfung unterziehen musste, bekam diese Krankheit keiner mehr, den ich kannte. Heute sind sie ausgemerzt, heißt es. Diese Pocken. Ich habe zwei dicke fette weißliche Narben am Oberarm. Kann mich aber erinnern, dass vorzugsweise Fleischfachverkäuferinnen in der DDR, die immer in weißen Kitteln mit freien Oberarmen bedienten, die immer sehr dick waren, in der Regel vier dieser Narben aufwiesen. Sie sind in meiner Erinnerung mit der Fleischfachverkäuferin zu einem Emotionsknäuel verwachsen. Diese vier Pockennarben am Arm der… – nun ich sag es nicht noch einmal – diese sehr begehrten Damen verkauften uns DDR-Kindern, die für ihre Eltern anstanden, und auch vielen Frauen, sogar Männern, die ebenfalls die Schlange bevölkerten, die zum Sozialismus gehörte, wie der Topf auf den Deckel, die heiß begehrte Fleischware. Heiß begehrt waren Rouladen, Kochschinken, roher Schinken, und ungewöhnlichere Fleischsorten, neben dem normalen Schweinefleisch, das gab es immer oder meist.

Was ich damit sagen will: Ich bin alt.

Wer hat heute noch Pockennarben? Heute hat man eine BioNTech-Impfung oder eine von Moderna, AstraZeneca oder Johnson & Johnson. Ich werde keine von denen in mich hineinlassen. Obwohl ich keine Impfgegnerin bin. Aber nicht noch einmal lasse ich es zu, dass man mir zwangsweise etwas in den Körper spritzt, von dem ich nicht weiß, was es bewirkt. Letztes Jahr redete mir meine Hausärztin mal wieder eine Tetanus-Impfung ein. Ich habe „Ja“ gesagt. Die ist bewährt. Da weiß ich, was ich habe oder bekomme oder eben nicht bekomme.

Aber das ist heute nicht mein Thema. Mein Thema ist: Ich bin schon alt.

Ich habe Pockennarben. Und früher hatte ich abstehende Ohren. Und immer habe ich die Eltern genervt, dass ich eine OP will. „ich will anliegende Ohren haben!“. Ich kann mich erinnern, dass ich mit vierzehn Jahren im Kino saß. Und weil die Friseuse – so hießen die damals und nicht Friseurin – mir die Haare zu kurz geschnitten hatte, konnte ich den Film nicht richtig verfolgen, da ich in erster Linie daran dachte, dass die Jungs hinter mir sehen könnten, was ich für abstehende Ohren habe. – Wie durch ein Wunder habe ich – ohne Operation – heutzutage so anliegende Ohren, dass man bei Frontalfotos denkt: Die hat überhaupt keine Ohren! – Auch irgendwie komisch. Wie sich die abstehenden Ohren meiner Kinder- und Jugendzeit „über Nacht“ in den gewünschten Zustand legten. Ich kann es nicht erklären, es ist sozusagen ein Gotteswerk. Meine Gebete wurden erhört.

Aber wir waren beim Alter. Woran merke ich, alt zu sein?

Ich bin nicht mehr eifersüchtig. Und ich weiß, dass es sich nicht lohnt, eifersüchtig zu sein. Kann mich aber gut erinnern, dass ich früher vor Eifersucht fast innerlich verbrannte. Dass ich zur Mörderin hätte werden können, wenn ich nicht doch eine gewisse moralische Erziehung genossen hätte. Als mein Mann Peter zum ersten Mal eine seiner Geliebten nach Hause brachte und in unserem Bett übernachten ließ, konnte ich mich nicht entscheiden, wem ich das Messer in die Brust stoßen sollte. Ihm oder Ihr. Also ließ ich es und bekam lieber Magen- oder wahlweise Unterleibsschmerzen. Die Unterleibsschmerzen haben sich erledigt, wie die Mordgelüste. Sie sind Knie-, Rücken-, Herz-, und Hallux-Schmerzen gewichen. Ich überlege, was ich lieber hätte. Heute entschiede ich mich für die Eifersucht, weil ich damit umgehen könnte. Aber ich kann nicht alles haben. Weisheit gegen Jugend funktioniert leider nicht.

Wann ich alt geworden bin? Als ich die ersten goldenen Ohrringe gekauft habe. Heute trage ich nur noch Gold oder tu zumindest so. Silber kommt mir nicht mehr in die Tüte. Ist arm, aber sexy, aber jung. Bin ich alles nicht mehr.
Alt ist auch gut. Es gibt keine Erwartungen. Es gibt nur noch Genuss. Essen ist der Sex des Alters – stimmt. Trinken auch. Leider gefährlich. Ich hatte eine Alkoholiker-Mutter. Also kämpfe ich mit Whiskey und Sekt. Jeden Tag aufs Neue. Und manchmal klappt das sogar.

Alt ist auch gut – es gibt zum Beispiel die Freude, am Morgen wieder heil zu erwachen und einigermaßen die ersten Schritte in den Tag zu bewältigen, die schmerzhaft sind, aber es lässt nach – im Laufe des Tages. Es gibt die Freude, so schlau zu sein und die noch größere Freude, dass die anderen es nicht merken. Ich kann mich sehr gut dumm stellen. Eine meiner Lieblingsübungen. Und die Jüngeren, einschließlich meiner allesamt sehr klugen Kinder und Kindeskinder denken – wie ich auch früher – sie seien doch viel viel viel klüger. Kenn ich. Hab‘ ich auch gedacht.

Alt hat noch viele gute Seiten. Weil ich nicht mehr auf Friedhöfe gehe. Sie sind mir zu nah.
Insgesamt ist alt sein natürlich ziemlich grauenhaft. Ich setze das fort, wenn ich noch ein wenig darüber nachgedacht habe.